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Viamonda Reisejournal

Reisebericht Georgien

Wo Türme sich erheben

Georgien ist mit seiner Landschaft vom Kaukasus bis zum Schwarzen Meer, seinen Städten und geschichtsträchtigen Klosteranlagen sowie der uralten Weinkultur ein faszinierendes Land. Eine  Rundreise bietet bleibende Eindrücke.

Eine Reportage von Felix Maurhofer, Chefredaktor Touring-Magazin

Das robuste Geländefahrzeug durchquert eine der vielen Furten auf der Strasse hinauf nach Ushguli im Kaukasusgebirge in Georgien. Zum wiederholten Male werden die Passagiere heftig durchgeschüttelt, das, obschon der einheimische Fahrer alle Vorsicht walten lässt. Nach einer gefühlten Ewigkeit auf der holprigen Strasse tauchen endlich die Wehrtürme des höchstgelegenen Dorfes von Georgien am Horizont auf. Eine wilde und fast unwirtliche Gegend am Fusse des 5068 Meter hohen Shkhara. Nun wird klar, warum Ushguli «mutiges Herz» bedeutet. Denn, wenn man sich die strengen Winter hier oben vorstellt, müssen die rund 80 Dorfbewohner ziemlich couragiert sein. Und nicht nur das, denn die bis zu 20 Meter hohen Wehrtürme zeugen vom Widerstandswillen der swanetischen Bevölkerung gegen Eindringlinge. Diese Türme sind das Wahrzeichen dieser an der Grenze zu Russland gelegenen Region. Jedes Dorf im langgezogenen Engurital hat einige davon. Besonders eindrücklich sind sie im Touristenort Mestia bei Nacht, wenn sie szenisch beleuchtet werden und sich wie illuminierte Warnfinger gegen den Nachthimmel strecken. Swanetien birgt wie alle Regionen Georgiens zahlreiche Kultur- und Kunstschätze. Wer quer durchs Land reist, wird immer wieder aufs Neue überrascht. Burgen, Kirchen, Klöster, ja gar Felsenstädte und abwechslungsreiche Landschaften sind zu entdecken. Alles umrahmt von einer bewegten und teils tragischen Historie. Die Georgier lassen sich nicht entmutigen, zeigen ihren Stolz für ihr Land, sind gastfreundlich und warten mit einer ausgezeichneten Küche auf.

Usghuli Georgien

Dörfer mit Wehrtürmen wie Usghuli sind typisch für den Kaukasus. © F. Maurhofer Touring

Das Narikala-Panorama

Wer sich Georgien als Reiseziel aussucht, sollte in der Hauptstadt Tiflis als Erstes zu Fuss oder mit der Seilbahn die Festung Narikala erklimmen. Hoch über der Altstadt fällt die architektonische Vielfältigkeit dieser Metropole auf. Neben den typischen Kreuzkuppelkirchen sind da die moderne Friedensbrücke oder die lindwurmähnliche, silbrige Konzerthalle. Diese futuristischen Gebäude verdankt das Land dem Expräsidenten Micheil Saakaschwili. Tiflis besteht aus der Altstadt, die gar nicht so alt ist, und der Neustadt. Denn 1795 brannten die Perser die ganze Stadt bis auf die Grundmauern nieder. Trotzdem ist die Altstadt mit der typischen Architektur, welche aus geschnitzten Balkonen besteht, was ihr den Begriff «vielbalkonige Schönheit» verlieh, äusserst besuchenswert. Es gibt in den verwinkelten Gassen vom Bäderviertel Abanotubani über die alte Karawanserei bis zur Metekhi-Kirche immer wieder Spannendes zu entdecken.

Narikala GeorgienBalkone und die Burg Narikala prägen die Altstadt von Tiflis © F. Maurhofer Touring

Markt in Tiflis GeorgienFrische Zutaten auf dem
Markt für die leckeren georgischen Gerichte. © F. Maurhofer Touring

Bizarre Höhlenstadt

Zwischen Schwarzem Meer und der Metropole Tiflis erstreckt sich der Kleine Kaukasus. Und der birgt im tief eingeschnittenen Tal des Mtkvari mit Vardzia einen Kulturschatz sondergleichen.
Nachdem die kurvenreiche Strasse gemeistert ist, öffnet sich das Tal, und im kalkhaltigen Tuffgestein kommt die imposante Höhlenstadt zum Vorschein. In die 500 Meter hohen Felswände haben Mönche und später König Giorgi III. mit seiner Tochter Tamara dieses Höhlenkloster erschaffen. Zur Blütezeit der Felsenstadt sollen 3000 Säle und Kammern existiert haben. 800 Mönche pflegten die Anlage. Wenn sich Feinde näherten, fanden hier bis zu 50 000 Menschen Unterschlupf. Von der Kirche bis zur Apotheke war alles vorhanden. Früher gelangten die Bewohner über einziehbare Leitern hinein, doch ein Erdbeben im 13. Jahrhundert zerstörte einen Teil der Höhlenstadt. Beim Besuch der Anlage über Treppen werden die Dimensionen dieses ausgeklügelten Bauwerks erst fassbar. Man kommt sich in den engen Gängen und auf den steilen Treppen fast wie ein Höhlenforscher vor. Und alleine die schönen Fresken in der Kirche sind die lange Reise nach Vardzia wert.

Moderne Gebäude in Tiflis GeorgienModerne Bauten flankieren die Friedensbrücke im modernen Tiflis. © F. Maurhofer Touring

Antikes Disneyland

Nicht nur Tiflis ist eine erhabene Stadt, das Land hat diesbezüglich einiges zu bieten. So etwa die ehemalige Garnisonstadt Akhaltsikhe. Der Name bedeutet «neues Schloss», und angesichts der
mächtigen Burganlage auf dem Stadthügel weiss man, warum. Sie ist imposant und wurde vollständig renoviert, weshalb sie die Georgier als kleines Disneyland bezeichnen. Völlig anders und mondän präsentiert sich die Hafenund Badestadt Batumi. Wer der sieben Kilometer langen Strandpromenade entlangspaziert, dem fallen die mondänen Hotelkomplexe auf, die nicht recht zum übrigen Stadtbild passen. Alle Sehenswürdigkeiten vom Europaplatz bis zur Piazza sind gut zu Fuss erreichbar. Und wer dem Stadtrummel entfliehen möchte, der kann den grossen botanischen Garten oder die Römerfestung Gonio besuchen. Georgien ist ein Land, das für Bergsteiger über Gourmets bis zu Geschichtsliebhabern alles bietet. Die 1600 Kilometer lange Rundreise verleiht einen ersten Eindruck und ist von der Landschaft und Kultur her facettenreich.

Jedenfalls ein Land, das mehrere Besuche verdient hat

Eine Reportage von Felix Maurhofer, Chefredaktor Touring-Magazin

Dieser Artikel erschien im Juni 2020 im touring Magazin. Die Reise wurde von Vögele Reisen unterstützt.

 

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